Gehen, Verlassen, Schließen
Ich schreibe von verlassen, gehen und schließen. Verlassen bezeichnet das Weggehen von einem Ort, oder das
Beenden einer
Beziehung. Gehen ist eine Fortbewegungsform zu Fuß oder umgangssprachlich
auch weg- oder rausgehen, also verlassen. Schließen ist das Beenden
eines Vorgangs und bezeichnet gerade im Digitalen das Klicken auf das
→Kreuz [╳] oben links oder
rechts im Programmfenster.
Dass ich diese Begriffe gerade beinahe synonym verwende, deutesc ich als
Hinweis darauf, wie ich zu meinem digitalen Tun stehe. Mein
E-Mail-Postfach scheint ein Raum zu sein, den ich verlasse,
→Social Media auch. Wenn ich Photoshop schließe,
knalle ich eine Tür zu, zu der ich keinen Schlüssel habe, denn ich
speichere eigentlich nie, woran ich dort gearbeitet habe. Ich gehe in
meinen Computer und von einer →Website zur
nächsten.
Flüchten
Flüchten ist schnelles, eventuell heimliches Verlassen eines gefährlichen oder unangenehmen Orts. Im Zusammenhang mit dem Digitalen spielt auch →Eskapismus, Realitätsflucht, eine Rolle. Menschen spielen mit ihren Smartphones, wenn sie auf den Bus warten oder sich einer Situation entziehen wollen. Der Blick auf mobile Websites oder die Kommunikation über Messenger Dienste bringt das Individuum an einen anderen Ort und kann verhindern, im öffentlichen Raum ansprechbar zu erscheinen.
Individuum
In diesem Glossar betrachte ich die Interaktion von Individuum und Computer mit verschiedenen
Schwerpunkten. Wie jeweils
das Individuum bezeichnet wird, gibt Aufschluss über Hierarchien und zugestandene Wirkmacht. Am weitesten
verbreitet ist
vermutlich der Begriff der Nutzer*in. Sie interagieren vor allem anwendungsorientiert mit Computern, ohne
sich mit der
zugrundeliegenden Technologie zu beschäftigen. Damit die Nutzer*in entstehen konnte, mussten GUIs und
Personal Computer
entwickelt werden. Turkle, Sherry: „Life on the Screen - Identity in
the Age
of the Internet”, TOUCHSTONE, New York, 1995. S. 32
Nutzer*innen bewegen sich innerhalb der vorgesehenen Spielregeln des Interfaces. Für Anpassungen an ihre
Bedürfnisse
wählen sie aus der von den Entwickler*innen getroffenen Vorauswahl. Zwischen Individuum und Technik besteht
bei dieser
Begrifflichkeit eine klare Hierarchie. Computer werden als Werkzeug verstanden, dessen sich die Nutzer*in
bedient. Laurel, Brenda: „Computers as Theatre“, Addison-Wesley
Professional;
2. Edition, 2013. S.150
Noch passiver ist der*die Konsument*in, synonym für Verbraucher*in, angelegt. Technik und Medien werden sich einverleibt. Konsument*innen stehen am Ende der Kette von Waren und Dienstleistungen, denn sind diese konsumiert, sind sie weg. Diese sehr dingliche Konnotation des Begriffs trifft natürlich nicht auf beispielsweise die Rezeption eines Films zu, jedoch bringt sie mit sich, dass von Konsument*innen keine Reaktion mehr auf das Konsumierte erwartet wird.
Bei meiner Recherche zu individuellem Bewegen im Internet bin ich über den Begriff der Prosument*in gestolpert. Dabei ist ein*e Endnutzer*in gemeint, der*die professionelle Ansprüche an das Produkt stellt oder gleichzeitig an der Produktionskette im weitesten Sinne beteiligt ist. https://de.wikipedia.org/wiki/Prosumer
Akteur*innen wiederum sind Handelnde. Sie nehmen aktiv und verantwortlich Tätigkeiten vor und treten mit anderen Akteur*innen in Austausch.
„Hackers are the antithesis of users.“ Turkle S.32, schreibt Sherry Turkle. Hacker*innen folgen darüber hinaus der Hackerethik, schreibt der Chaos Computer Club. https://www.ccc.de/de/faq#wie_werde_ich_hacker Sie sind abenteuerlustig und auf der Suche nach Problemen, die ausgefallene Lösungen erfordern.
Theoretikerin Brenda Laurel hält dazu an, aufgrund von Machtdynamiken und negativen Konnotationen auf den Begriff der Nutzer*in zu verzichten. Stattdessen schlägt sie vor, sprachlich präzise das Individuum im Verhältnis zur Handlung zu beschreiben:„For example, the ‚user‘ of a computer game is better characterized as a ‚player‘; the ‚user‘ of an e-book is a ‚reader‘.“ Laurel, Brenda S.8 Da sich Laurel in ihrem Text vor allem mit der Interaktion von Mensch und Computer beschäftigt, verwendet sie den Begriff des*der Interakteur*in. In dieser Arbeit werde ich, angelehnt an Laurel, in den jeweiligen Abschnitten eine Bezeichnung des Individuums wählen, die seine Dynamik im Zusammenspiel mit der Technik widerspiegelt.
Virtuelle Welt
Die Bezeichnung der virtuellen Welt definiert diese als Gegenpol zur realen Welt. Nach diesem Verständnis besteht eine Trennung zwischen digitaler und physischer Wirklichkeit. Etwas ist virtuell, wenn es nicht echt, sondern bloßer Schein ist. Seit einem relativ flächendeckendem Mobilfunknetz, drahtlosem Internetzugriff und immer mehr webfähigen Alltagsgegenständen ist die Dichotomie zwischen real und virtuell im Begriff, sich aufzulösen, wenn sie es nicht längst getan hat.
Cyberspace
Cyberspace ist eine Bezeichnung für einen Raum, in dem die Grenzen zwischen Lebewesen und Maschine verschwimmen. Er wurde von Sciencefictionautor William Ford Gibson mit der Kurzgeschichte „Burning Chrome“ und der „Neuromancer“ Trilogie geprägt. https://www.deutschlandfunkkultur.de/der-erfinder-des-cyberspace-100.html Cyberspace weckt Assoziationen an Filme wie „The Matrix“ Wachowski, Lana und Lily: (1999) „The Matrix“, Warner Bros. in association with Village Roadshow Pictures. und Versuche, die technischen Grundlagen digitaler Wirklichkeit in der Popkultur zu visualisieren. Archive visueller Trends stellt Evan Collins auf are.na zusammen: https://www.are.na/evan-collins-1522646491/early-cyber So entwickelt sich Cyberspace zu einem Raum, in dem wir Doppelleben führen können und den wir mit Hybriden aus Organismus und Maschine teilen. Diese Cyborgs eröffnen auch die Möglichkeit, Restriktionen des Körpers zu überwinden.
Digitaler Raum
Der Begriff des digitalen Raums umfasst in meinen Augen sowohl die räumliche Positionierung des Individuums darin als auch die Immersion, die digitale Medien erreichen. In einem Raum bestehen die Möglichkeiten für Bewegungen, das Entdecken von Neuem und die aktive Gestaltung. Ein Raum ist in erster Linie eine architektonische Struktur. Er kann aber auch zum Schauplatz sozialer Dynamiken sein. Einige Aspekte eines Raums können also objektiv beschrieben werden, andere sind Teil subjektiver Wahrnehmung.
Digitale und physische Räume sind miteinander vernetzt und verschachtelt. Physische Räume haben digitale Abbilder. Wir können an einem Platz gewesen sein, ohne dass unser Körper schon dort gewesen ist. Koordinaten können auch IP-Adressen Kurz für Internetprotokoll-Adresse. Sie wird Geräten, die mit dem Internet verbunden sind, automatisch zugewiesen und ermöglicht die Kommunikation sowie den Datenaustausch über das Netzwerk. sein, Straßennamen URLs Kurz für Uniform Resource Locator, eine Webadresse, die in der Adresszeile des Browsers angegeben wird.. Wer wir sind, entfalten wir mit einer Entscheidung für ein digitales Endgerät und Präsenz auf verschiedenen Onlineplattformen. Wir sind Nutzer*innen, Gäst*innen, Bewohner*innen und Gestalter*innen dieser Räume. Digitale Räume sind Teil einer „planetary scale computation“, wie der amerikanische Soziologe und Designtheoretiker Benjamin Bratton mit dem Modell des „Stack“ beschreibt. Bratton, Benjamin H.: „The Stack. On Software and Sovereignty.“ The MIT Press, 2015. Dieser Stapel, eine Superstruktur globalen Ausmaßes, setze sich aus den Ebenen„earth, cloud, city, address, interface and user“ zusammen. Das Individuum selbst kann sich gleichzeitig an verschiedenen Orten aufhalten. Der Stack hat dabei Einfluss auf jegliches menschliches Handeln. Vgl: Wesche, Marco: „An Endless Circle of Realizing“, http://endlessrealizing.space/ Digitale Datenverarbeitung hat folglich nachhaltig die geopolitische Landkarte verändert Bratton S. 3 und wird es auch weiterhin tun.
Interfaces
Wie wir uns zu digitalen Räumen positionieren, ist eng verbunden mit den Geräten, die uns Zugang zu diesen Räumen ermöglichen. Tasten und Knöpfe, Hardware digitale und grafische Interfaces Software sind Schnittstellen zwischen uns und diesen Orten. Jedes →Interface ist ein kulturelles Produkt eines spezifischen Ortes zu einer spezifischen Zeit. Der Designer David Reinfurt schreibt dazu: „(…) design decisions reflect shared conventions, assumptions, and histories from that setting.“ Reinfurt, David: „A New Program for Graphic Design“. Inventory Press. 2019. S.175 Das sind im Falle der GUIs die USA der 1960er–90er Jahre. Das Silicon Valley als Wiege technischer Innovation hat sich in dieser Zeit eine kultische Aura zugelegt. Geprägt von sozialen Kämpfen, wie der Bürgerrechts- oder der Anti-Vietnamkriegs-Bewegung, hatte ein Geist von Gegenkultur, kombiniert mit der Überzeugung, technische Innovation könne soziale Probleme lösen, Einzug gehalten. Hinzu kamen große Investitionen in Technologie seitens der Regierung während und nach dem Zweiten Weltkrieg, denn das Wettrüsten mit der Sowjetunion sollte gewonnen werden. (Siehe auch: O'Mara, Margaret: „The Code: Silicon Valley and the Remaking of America“, Penguin Random House, News York, 2019.) Sich mit dem Digitalen nur auf technischer Ebene auseinanderzusetzen wäre zu kurz gegriffen. Für ein umfassendes Bild muss auch die Betrachtung der gesellschaftspolitischen und kulturellen Ebene erfolgen, denn „neither fully human nor fully machine; rather, it (the interface) separates human and machine while defining the terms of their encounter“ Hookway, Branden: „Interface“. The MIT Press, 2014. zitiert nach: https://readings.design/PDF/The-Interface-Experience.pdf Ich würde an dieser Stelle spezifizieren und Hookways Interface Definition vor allem auf GUIs beziehen, da sie einen immateriellen Charakter hervorhebt. , fasst es Kulturtheoretiker Branden Hookway zusammen. Die Künstlerin und Theoretikerin Johanna Drucker fordert, diese der Technologie zugrunde liegenden Strukturen offenzulegen, da sie die Grundlage für eingeforderte und erworbene kulturelle Autorität bildeten. „Exposing the ideological assumptions of digital materialities and the strategies on which they claim and gain cultural authority is essential. The performance of a work provoked by a material substrate is always situated within historical and cultural circumstances and particulars and expresses ideology at every level of production, consumption, implementation and design.“ (Drucker, Johanna: „Performative Materiality and Theoretical Approaches to Interface“ in „Digital Humanities Quarterly Vol.7 Nr.1“, 2013. http://www.digitalhumanities.org/dhq/vol/7/1/000143/000143.html#paul2007)
Aus der Perspektive des Grafikdesigns stammen die beiden spannendsten Ansätze im Interfacedesign von Susan
Kare und
Muriel Cooper. Beide haben digitale Oberflächen gestaltet, ohne sich auf Vorgänger*innen berufen zu
können.
Reinfurt S. 235
Die von Kare mit entwickelte Ikonografie für die GUI des Mac hat eine weit verbreitete Bildsprache
etabliert. Zuvor
mussten Interfaces beschriftet werden: Back, anstelle eines Pfeils zurück, Close oder Schließen anstelle des
Kreuzes.
Kares Icons für Macintosh schlagen eine Brücke zwischen den Prozessen, die der Computer ausführte und
den—noch
ungeübten—Interakteur*innen. Einige der Icons, wie zum Beispiel die Hand oder das Lasso, sind heute noch in
verschiedenen Programmen in Gebrauch. Sie sind das Resultat einer Übersetzung: „What is
really the heart of the thing that needs a symbol?“
usan Kare zitiert nach Reinfurt S.245
Kares Gestaltung zielt darauf an, Handlungen, die über das Interface vollzogen werden können, sichtbar zu
machen. Sie
stellt ein Werkzeugset zur Verfügung und das ist es, was den Raum Macintosh formt: ein Lasso, eine Linie,
eine Hand, die
zugreift.
MacPaint Interface nach Reinfurt S.248
Dort, im Werkraum Macintosh, können Arbeitsschritte, die aus anderen Kontexten bekannt sind,
durchgeführt werden. Wenn
nach erfolgreichem Einlegen einer Diskette ein lächelndes Mac Icon den*die Interakteur*in begrüßt, wird
der Computer
ein*e Kollege*in.
Die „Information Landscapes“, die in Zusammenarbeit mit ihren Studierenden des MIT Visual Language
Workshops entstanden,
präsentierte Cooper 1994 auf einer TED Conference in Kalifornien.
Information Landscapes: Muriel Cooper at the TED5 Conference 1994
https://www.youtube.com/watch?v=BhrZHkdc2rU
Verschiedene Medien - Text, Video, Karten, Datensätze - stehen hier nebeneinander in einem
dreidimensionalen Raum. Das
ist insofern spannend, als dass →Programme immer auf bestimmte
Dateiformate
spezialisiert sind. Eine Audiodatei lässt sich nicht mit einem Texteditor öffnen. Das
hat wieder zur Folge, dass eine Kategorisierung erfolgt, bevor überhaupt der eigentliche Inhalt einer
Datei vollständig
erschlossen werden kann. Durch die Räumlichkeit haben Inhalte in den Information Landscapes
verschiedene Ansichten,
Ecken bilden sich und laden ein, die Perspektive mehrfach zu wechseln. Das Verhältnis von Leser*in und
Designer*in
verliert seine Hierarchie, da praktisch keine Leserichtung vorgegeben wird. Hierarchisierung von
Inhalten durch Größen
oder Anordnung im Layout sind sonst meist die ersten Schritte, wenn es um grafische Gestaltung geht.
So wird dann der
Blick der Rezipient*innen geleitet: von der Überschrift, zur Unterüberschrift, zu weiteren
Informationen.
Die „Information Landscapes“, erinnern an futuristische Versprechen, die mit augmented reality Geräten
inzwischen, in
den 2020er Jahren, eingelöst werden könnten. Ein Vergleich mit dem Interface der 2023 vorgestellten
Apple Vision Pro ist
jedoch ernüchternd. Die aus Mac OS bekannten Programmfenster werden lediglich über die Brille in den
Umraum der
Träger*in projiziert, die bekannten Ordnungsstrategien, Ordner, Symbole, werden nicht
aufgebrochen.
https://www.apple.com/de/newsroom/2023/06/introducing-apple-vision-pro/
& Template Kit für Apple
Vision Pro
https://www.figma.com/community/file/1253443272911187215
Die Brille ersetzt nur mehr den Computermonitor. Die Interfaces zeichnen sich durch starke Anwendung
von Transparenzen
und Unschärfen, sogenanntem glass morphism, aus.
https://www.figma.com/community/plugin/1197106608665398190/glassmorphism
Der Glass morphism Trend startete 2020 nach einem Artikel von Michal Malewicz:
https://uxdesign.cc/glassmorphism-in-user-interfaces-1f39bb1308c9
So wird der Eindruck erweckt, sie schwebten im Raum, wollten aber möglichst nicht so
präsent sein. Natürlich ist das
Interface trotzdem sichtbar, es soll ja bedient werden können.
Es scheint ein Bedürfnis nach Rezepten für gute oder richtige Gestaltung zu geben. In meiner Recherche habe ich drei Bücher von Männern (Norman, Krug und von Borries) gelesen, die beschreiben, wie gutes Design geht. Während Norman und Krug ihre Texte deutlich als Anleitungen formulieren und dementsprechend unsubtil mit Marken und Aufzählungen strukturieren, entwirft Borries in kurzen Thesen eine politische Designtheorie. „Gutes Design ist entwerfend, schlechtes Design unterwerfend.” (von Borries, Friedrich: „Weltentwerfen. Eine politische Designtheorie“ edition suhrkamp, 2. Auflage, Berlin, 2017. S.37) In meinen Augen sind gut und schlecht selten Begriffe, die etwas angemessen beschreiben. Gut oder schlecht steht am Ende einer Betrachtung und bildet als Summe der analysierten Details ein Werturteil. Als Künstler*in würde ich eher vom Funktionieren einer Arbeit sprechen. So wird die Arbeit im Verhältnis zu Präsentations- oder Gebrauchssituation, Umgang mit einer These und Formgebung eingeschätzt. Das Urteil ist hier variabel, eventuell funktioniert etwas in einigen Situationen, in anderen nicht. Donald Norman, Kognitionswissenschaftler und Wegbereiter der benutzerzentrierten Gestaltung, nennt Erkennbarkeit (Discoverability) und Verständlichkeit (Understanding) als wichtigste Grundsätze guten Designs. Norman, Donald A: „The Design of Everyday Things“. Revised and expanded edition. Basic Books, New York, 2013. S. 3 Beide Eigenschaften ergänzen sich: Was nicht direkt verstanden wird, kann entschlüsselt werden. Damit Interaktionen zwischen Menschen und Computern funktionieren, ist es wichtig, Erkenntnisse aus Psychologie und Kognitionswissenschaft zu berücksichtigen. „(…) we were designing things for people, so we needed to understand both technology and people.“ Norman S. 7 Ähnlich wie Susan Kare legt auch Norman den Fokus bei der Gestaltung eines Interfaces auf die auszuführende Aktion. Seine Designprinzipien, Bequemlichkeit, bewusste Einschränkungen und Rückmeldung, belegt Norman anhand von Beispielen—Türklinken, Atomkraftwerke—, bei denen wirklich nichts schief gehen sollte. Zum Bedienen einer Türklinke sollte keine Erklärung nötig werden. Schaltpulte in der Zentrale eines Kraftwerks sollten so gestaltet sein, dass eine kritische Situation nicht über mehrere Tage unentdeckt bleiben kann. Norman S.7 In meinen Augen ergibt es auch Sinn, eine Interaktion zugänglich zu machen, die Funktionsmöglichkeiten durch Kontexte einzugrenzen und einen Hinweis zu geben, ob die Interaktion erfolgreich war. Mit Normans Kriterien sollten sich Menschen mit den Gegenständen der Gestaltung zurechtfinden, ohne weitere Anweisungen zu benötigen. Norman stellt Designer*innen in den Dienst der Menschen, die das Design nutzen sollten, Fehler seien an der Gestaltung zu suchen, nicht bei den Interakteur*innen. Design nach solchen Prinzipien etabliert Standards weiter, ohne sie zu hinterfragen, bestätigt Erwartungen und schafft Produkte, die sich problemlos in eine kapitalistische Warenwirtschaft integrieren. Diese werfen gestalterisch weder produktive Fragen auf noch machen sie diskursive Spannungsfelder sichtbar. Webdesigner Maximilian Kiepe schlussfolgert in diesem Kontext über die Standardisierung durch Templates im Webdesign: „In an attempt of finding best usability practices, designers and developers got stuck in a positive feedback loop of user expectations and learned behaviors.“ Kiepe, Maximilian: https://event.preventdefault.net/
Die Mehrzahl der Designtheorien, darunter auch die hier erwähnten, beziehen sich allerdings auf
Produktdesign
oder
Architektur. Der Gegenstand der Gestaltung ist in diesen Disziplinen anders gelagert als im Grafikdesign,
obwohl auch
Objekte oft Typografie oder grafische Elemente enthalten. Grafikdesign ist definiert als die Gestaltung von
Information
mittels Typografie und Bild. So sollen Informationen visuell zugänglich werden.
Vgl.: https://www.typolexikon.de/grafikdesign/
Veranstaltungen oder Nachrichtenmeldungen sind nur für vergleichsweise kurze Zeiträume aktuell. Eine
Theaterspielzeit
zum Beispiel dauert ein knappes Jahr, dann kommt die nächste. Gegenwärtige Prozesse können durchaus mit
zeitgeistiger
Grafik kommuniziert werden, denn so teilen Form und Botschaft eine Zeitlichkeit. Grafikdesign kann also
aktuelle Trends
und Ideen aufgreifen, kommentieren und entwickeln. Es kann polyphon sein, wie die Diskurse, aus denen heraus
es entsteht
und die es abbildet. Experimente und Versuche sind ein Werkzeug von gestalterischer und auch
gesellschaftlicher
Entwicklung. In der Konfrontation mit Neuem werden Menschen Ungewohntem begegnen. Warum sollte Unbekanntes
vermieden
werden?
Geht im Grafikdesign etwas schief, ist das auch verkraftbar. Es handelt sich um eine Website oder ein
Plakat und nicht
um ein Gebäude, das mehrere Jahrzehnte genutzt werden soll. Gerade bei GUIs kann zudem mit Updates
nachjustiert werden,
sollte sich etwas als schwer nutzbar erweisen.
Leitsätze der Moderne wie „Form follows function“
Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Form_follows_function
müssen nicht als Diktat zur strengen Reduktion gesehen werden. Auch Spielerei oder Ornamente haben
eine Funktion,
mindestens sind sie Ausdruck von Spiel und Freude.
Im Gegensatz zu Don Norman macht Johanna Drucker Vorschläge, wie ein spekulatives, offenes,
uneindeutiges Interface
funktionieren könnte. Ein Text entsteht erst in der Rezeption, der Begegnung mit dem*der Leser*in,
lautet ihre These.
„Can we conceive of models of interface that are genuine instruments for research?
That are not merely queries within
pre-set data that search and sort according to an immutable agenda? How can we imagine an interface
that allows content
modeling, intellectual argument, rhetorical engagement?“
Drucker, Johanna Abs. 34
Ein solches Interface könne Gedankengänge sichtbar machen und seine Form über die individuelle
Nutzung finden. Eine
gegenseitige Bedingtheit von Interface und Interakteur*in könnte sich auf verschiedene Nutzungsformen
einstellen anstatt
Verhaltensweisen zu modellieren.
Drucker, Johanna Abs. 37
x & ×
Die naheliegendste Geste, digitale Anwendungen zu beenden, ist meist der Klick auf ein kleines Kreuz in der
oberen Zeile
des Fensters. Abhängig vom Betriebssystem findet es sich in der linken oder rechten Ecke und ist inzwischen
mit einem
roten Hintergrund ausgestattet. Lauren Archer vollzieht in einem Blogeintrag die Entwicklung grafischer
Interfaces bis
heute nach. Windows 95 etablierte demnach das Kreuz. Erstmals im GUI Design verwendet wurde es vermutlich in
Atari TOS
Mitte der 1980er Jahre. Archer spekuliert, dass das Kreuz vom japanischen maru Symbol für falsch, schlecht
stehen
könnte. Archer, Lauren: „X to close - The origins of [x] in UI design“
https://medium.com/re-form/x-to-close-417936dfc0dc
Typografisch gibt es verschiedene Kreuzsymbole. Das Kreuz, das wir in den Interfaces von Mac und Windows
finden, wird
auch als mathematisches Multiplikationszeichen verwendet.
Der Kreuzungspunkt der Linien liegt bei diesem Zeichen in der geometrischen Mitte und die Linien haben in
der Regel die
gleiche Strichstärke. Das Multiplikationszeichen sitzt meist zentral auf der Mittellinie einer Zeile,
abhänging von der
jeweiligen Schriftart kann dies leicht variieren. Die Linien des Buchstabens X werden für ein ausgewogenes
optisches
Erscheinungsbild angeglichen. Das führt dazu, dass die Strichstärken sich in Richtung Mittelpunkt des
Buchstabens
verjüngen. Die unteren beiden Arme des X sind dabei meistens etwas länger als die oberen. In manchen
Schriften kreuzen
sich die Linien nicht exakt in einem Punkt, sondern sind leicht versetzt.
http://designwithfontforge.com/en-US/Trusting_Your_Eyes.html
Ein Kreuz ist
im Grunde das Streichen von etwas. Ein Wort wird durchgestrichen und somit aus dem Text entfernt.
esc
Die Escape-Taste spielt heute eine untergeordnete Rolle. Mit ihr lässt sich ein aktueller Befehl abbrechen oder aus einer laufenden Aktion aussteigen. In Computerspielen dient sie als Pausetaste. Esc ist eine Möglichkeit, den Vollbildmodus von Videoplayern und Präsentationen, und damit die Immersion, zu beenden. Beim Macbook Pro mit Touch Bar ist esc nur noch als virtuelle Taste vorhanden und verschwindet je nach Anwendung ganz.
Logout
Ein anderes Verlassensymbol begegnet uns vor allem in Apps oder im Internet, wenn man in einem
Nutzer*innenaccount
angemeldet ist. Dieses Logout-Symbol besteht aus einem Kasten oder Kreis mit einem Pfeil, der aus diesem
heraus zeigt.
Meist zeigt der Pfeil dabei nach rechts. Der Pfeil symbolisiert die Handlung des Abmeldens, der Kasten den
Account. Ich
assoziiere mit dem Symbol wirklich das Verlassen eines Raums, mit einer Bewegung und dem Moment, irgendwo
außerhalb zu
sein. Draußen ist es dann anders, vielleicht kalt, sehr sonnig oder windig und ich brauche einen Moment, um
mich an die
Umgebung zu gewöhnen.
Tatsächlich funktioniert das Notausgang-Piktogramm ähnlich: Hier ist eine
laufende Person dargestellt, vor einem
Rechteck zu sehen. Ein Pfeil gibt die Richtung des Fluchtwegs an. Hintergrund und Person sind grün, Pfeil
und Rechteck
weiß. https://de.wikipedia.org/wiki/Notausgang
Command-Line
Personal Computer verfügen neben der grafischen Benutzer*innenoberfläche auch über eine Eingabemöglichkeit für Textbefehle als Schnittstelle zum Betriebssystem. Ein solches Command-Line Interface existierte lange vor den ersten GUIs. Einige Aktionen, zum Beispiel Stapelverarbeitungsvorgänge und Automatisierungen, lassen sich über die Command-Line schneller und effizienter ausführen als in der GUI. Zudem können über die Command-Line auch Server (fern)gesteuert werden, die nicht über ein GUI verfügen. Die Command-Line legt die Maschine mit ihrer Logik unter der GUI wieder frei. Oberflächen verschleiern sonst die Übersetzungen, die ein Klick auf einen Button durchläuft, bevor Feedback angezeigt wird. Die Begrüßung nach dem Einloggen in den Account, Sprachsteuerungen und KI nähern die Interaktion von Mensch und Computer immer mehr einem menschlichen Miteinander an. Die Command-Line jedoch erinnert Interakteur*innen an die dem Computer zugrunde liegende Programmierung und ermöglicht es, Befehle direkt an das Betriebssystem zu senden.
Sounds
Visuelle Interfaces werden auch um akustische Signale ergänzt—die menschliche Wahrnehmung führt
Informationen aus
mehreren Sinneseindrücken zusammen. Dadurch kann präziser auf Reize reagiert und die individuelle
Orientierung
verbessert werden. Diese sogenannte multisensorische Wahrnehmung hilft, Aktion und Effekt im Gedächtnis zu
verankern. Ernst, Marc O.; Bülthoff, Heinrich H.: „Multisensorische
Wahrnehmung des Menschen. Forschungsbericht 2004 -
Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik“. 2004.
https://www.mpg.de/820840/forschungsSchwerpunkt
Gerade im Betriebssystem Windows werden
Aktionen oft von Akkorden begleitet. Diese tragen auch zu einem emotionalen
Eindruck einer Handlung bei. Exemplarisch steht dafür der Shutdown-Sound von Windows XP. https://www.youtube.com/watch?v=A8wK-vhuWog
Der sanfte, absteigende
Dreiklang aus Fis-Cis-Fis-Gis ist nicht dominant, aber eingängig. Er wirkt harmonisch stabil und
führt mit dem Gis wieder ein wenig nach oben. Der Abschied endet offen, es kann woanders weitergehen. Filmemacher David Scheffler hat für mich die Klangfolge rekonstruiert. David hat
eine musikalische Ausbildung.
In späteren Versionen des Betriebssystems wird zusätzlich zur GUI auch der Soundeffekt jeweils geupdated und
so an
Zeitgeist und Image des Systems angepasst.
Zuhause
Irgendwo müssen sich gerätebedienende Individuen verorten. Viele Aspekte des Verlassens betreffen eine alltägliche, freizeitmäßige Nutzung von Computern. Das Zuhause ist der Startpunkt eines individuellen Spaziergangs durch das Digitale. In diesem Abschnitt soll die Verortung des Zuhauses und der digitalen Orte darin oder um das Zuhause herum kartiert werden.
„The site is also like a home in that it’s a collection of many things which are unified only by the person who collected them. I feel as if someone is giving me a tour of their apartment (…).“ https://nicochilla.com/my-website-as-a-home/, schreibt Nico Chilla über eine Website, die er besucht hat. Im Folgenden zieht er einen Vergleich zwischen öffentlichen Momenten eines Zuhauses und einer Website. Wenn auch grundsätzlich verschieden, seien doch Aspekte wie das Empfangen von Gästen mit vorherigen Aufräumen in der Wohnung vergleichbar mit einer Website. Sowohl Website als auch Wohnraum blieben dennoch in erster Linie der eigene Raum der jeweiligen Besitzer*in: „At the same time, the website remains my space and is subservient to no other end.“ https://nicochilla.com/my-website-as-a-home/
Die Künstlerin Molly Soda etabliert ihren Desktop als ihr Zuhause und macht es sich nett, indem sie PNGs anordnet. „My Desktop Decor *Relaxing*“ (2019) https://casting-screens.digitale-grafik.com/contributions/molly-soda/my-desktop-decor-relaxing Sind unsere Wohnräume in Innenstädten schon so unerträglich geworden, dass wir aus ihnen →flüchten und uns digitalen Ersatz einrichten? Obwohl ich auch das →World Wide Web bewohne, kann ich mich Chillas Gedanken nicht anschließen. Meines Erachtens überwiegt der öffentliche Aspekt einer →Website. Wieso sonst wurde sie als index.html →Datei auf einen Server hochgeladen und hat eine URL bekommen? Beim Besuch einer →Website sind die Besuchenden dort allein. Der Inhalt der Seite ist eher ein Echo der Autor*in, ein Nachhall ohne wahrnehmendes Bewusstsein. Beim Besuch einer Seite passiert also kein gemeinschaftlicher Austausch zwischen Gäst*in und Gastgeber*in, wie es beim Besuch in einer Wohnung der Fall sein könnte. Außer, man definiert ein mögliches Sammeln von Nutzer*innendaten als solchen. Eine →Website mit einem Ausstellungsraum zu vergleichen erscheint mir passender. Kurator*innen und Künstler*innen gestalten diesen so, dass er sich gerade auch in ihrer Abwesenheit erschließt. Woran es liegt, dass digitalen Artefakten, Geräten oder Code, ein so intimer Platz in unserem Leben zuteil wird, hat nach Sherry Turkle folgenden Grund: „Computational objects, poised between the world of the animate and inanimate, are experienced as both part of the self and of the external world.“ Turkle, Sherry: „The Second Self: Computers and the Human Spirit“. Twentieth Anniversary Edition, The MIT Press, 2005. S.5 Wer etwas geschaffen hat, entwickelt oft eine emotionale Bindung zum Ergebnis der Arbeit. Es kann an Zeit und Energie oder persönlichen Werten liegen, die in die Arbeit eingeflossen sind. Digitale Endgeräte wiederum sind Teil eines →Interfaces sozialer Beziehungen und persönlicher Erinnerungen. Gefühle, die wir zu unseren sozialen Kontakten haben, werden so teilweise auf die Geräte, mit denen wir diese Kontakte pflegen, übertragen.
„Vielleicht ist der nächste Text, den ich tippe das Ticket hier raus“ Tarek K.I.Z. (2020) „Ticket hier raus“. Auf „Golem“. Tarek K.I.Z. & EKLAT TONTRÄGER GmbH.
Eskapismus
Realitätsflucht ist kein positiv konnotierter Ausdruck. Digitale Aufenthaltsorte dem Leben offline vorzuziehen, wird als Vermeidung einer wirklichen Problemlösung verstanden. Diesem eher medienpessimistischen Verständnis stehen Gemeinschaftserfahrungen marginalisierter Menschen im Internet gegenüber. In „Glitch Feminism“ erzählt Legacy Russel in zwölf Thesen künstlerische, individuelle und queere Annäherungen an Identitätsfindung und -konstruktion mit digitalen Mitteln. Dabei beginnt Legacy mit der eigenen Manifestation im Internet unter dem Pseudonym LuvPunk12: „Yet online I could be whatever I wanted. (…) Through this storytelling and shapeshifting, I was resurrected. I claimed my range.“ Russel, Legacy: „Glitch Feminism - A Manifesto“, London/New York, 2020. S. 13 Glitch, der Fehler im Bild und im System, „A glitch is an error, a mistake, a failure to function.“ Russel S.13 Dieser Fehler in Form von beispielsweise einer Darstellungsstörung oder einer nicht geplanten Funktion innerhalb eines Programms ermöglicht es unter Umständen, Grenzen zu überwinden. trägt dazu bei, Auswege aus einem System der Normierung zu schaffen. Menschen finden Gemeinschaften abseits der Diskriminierungserfahrungen, die sie in ihrem Leben away from keyboard Away from keyboard, abgekürzt mit afk, beschreibt die Abwesenheit von einem digitalen Endgerät. täglich erleben. Russel S. 93 In einer solchen Online-Existenz steckt widerständiges Potenzial. Wie zuvor angesprochen sind digitale Ereignisse, Orte und Gemeinschaften schwer von Geschehnissen afk zu trennen. Zugehörigkeit online zu erleben hat einen Einfluss auf das Leben afk. Gewalterfahrungen im digitalen Raum sind nicht weniger real als physische. Die Idee von Eskapismus als Vermeidungsverhalten kommt mir daher überholt vor. Ein letzter Rest dieses Fluchtgedankens findet sich vielleicht noch im Impuls am S-Bahngleis lieber ins Internet zu schauen.
Betriebssysteme
Schaltet man den Computer ein, ist man im Büro. Alles beginnt am Schreibtisch—Desktop—mit Ordnern, Postfächern und Fenstern. Wie eingangs erläutert, sind die Anwendungsmöglichkeiten von Computern vielfältiger geworden. Natürlich lassen sich nach wie vor Texte verfassen, Berechnungen durchführen und Akten erstellen. Computer sind aber auch Teil unserer Freizeitgestaltung, das Büro als Vorraum eines Kinos, und Werkzeuge in forschenden Gemeint ist doe amateurhafte und professionelle Suche, die von Neugier geleitet wird, oder auch die Suche nach einer künstlerischen Ausdrucksform. Ich hätte fast kreativ geschrieben. Ich mag das Wort nicht, da ich es in den letzten Jahren oft in Kontexten sehe, die Kunst entweder mystifizieren oder als seichtes Mittel der Zerstreuung framen. Prozessen. Was für eine merkwürdige, Neutralität mimende Wahl. Von einem Büroplatz aus streife ich also im Internet herum oder kümmere mich um meine künstlerische Arbeit. Der Ausgangspunkt dieser digitalen Aktivitäten könnte genauso gut ein Wald oder eine Werkbank sein.
Der Xerox Alto war 1974 der erste Computer mit GUI. Die Firma Xerox hatte sich bis dahin vor allem mit der Entwicklung von Kopiermaschinen einen Namen gemacht. Es überrascht also nicht, dass Büros und Papier als Bilder des Systems gewählt wurden. Steve Jobs und Bill Gates sahen dann Ende der 70er Jahre bei einem Besuch des Forschungslabors von Xerox den Prototypen des Alto und popularisieren mit Mac OS und Windows das Prinzip der GUI. https://www.computerhistory.org/timeline/1974/#169ebbe2ad45559efbc6eb35720b5528 und https://www.folklore.org/A_Rich_Neighbor_Named_Xerox.html
Die Desktop-Metapher trägt dazu bei, strikte Organisationssysteme zu etablieren. Büros stehen für das
Rationale,
Hierarchisierung und Standardisierung von sozialen Interaktionen innerhalb der dort stattfindenden Arbeit.
Diese Arbeit
ist Verschriftlichung und Kategorisierung von Information. So wird durchaus eine bestimmte, westliche
Hegemonie weiter
ausgebaut. Zu einem Thema zusammengetragene digitale Artefakte lassen sich allerhöchstens in den gleichen
Ordner legen.
Dort ergibt sich eine Übersicht aus Dateinamen, Symbolen oder Miniaturansichten. Die eigentlichen
Informationen lassen
sich so allerdings nicht sichten. Dazu müssen die Dateien parallel zueinander in eventuell verschiedenen
→Programmen, in
verschiedenen Fenstern oder verschiedenen Tabs, geöffnet werden. Die komplette Sammlung auszulegen, um sich
einen
Überblick zu verschaffen, neue Verbindungen zu erschließen, ist auf diese Art schwierig.
Inzwischen, in den 2020er Jahren, gibt es →Programme und Plattformen,
die darauf angelegt sind, Informationen
in
Netzwerken darzustellen. Auch für gemeinsame Arbeit auf demselben Board gibt es Lösungen, wie zum Beispiel
diverse →open-source Pads, Google Docs, Miro oder Figma. Alles
startet aber immer
noch von diesem Schreibtisch und mit dem Schreibtisch kommt
auch die Erinnerung an die Interakteur*in Ich sitze an einem Schreibtisch und
konzentriere mich. Ständig entgleiten mir die schlauen Gedanken., sich in einer bestimmten Weise
zum Gerät zu verhalten, sich hinzusetzen, zu fokussieren und auf den Bildschirm zu
schauen. Laurel: S. 10: „Such familiar metaphors as desktops and windows
provide behavioral and contextual cues (…)“
Wie bei vielen anderen Gütern stehen auch bei Betriebssystemen für Personal Computer verschiedene Optionen zur Auswahl. Egal ob Windows, Mac OS oder eine Linux-Distribution Linux ist ein Kernel, also ein Bestandteil eines Betriebssystems. Der Kernel ist zwar zentral, für ein komplettes Betriebssystem müssen aber unter anderem Systemprogramme, Libraries und GUIs dazu kommen. Auf dem Linux-Kernel basieren verschiedene Betriebssysteme, unter anderem Ubuntu und das →temporäre Betriebssystem TailsOS. —die grafische Benutzeroberfläche folgt in allen Fällen den Prinzipien der Desktop-Metapher. Die grundlegenden Funktionen, Office-Anwendungen, im Internet Surfen oder Code schreiben, sind, abgesehen vom Aussehen des Interfaces, gleich. Erst bei darüber hinausgehenden Anwendungsbereichen fallen Unterschiede ins Gewicht: „Is there ANYWAY to run the Adobe Creative Cloud suite on any distribution of Linux?“ - „Long story short: no. Use alternatives or get a Mac.“ https://www.reddit.com/r/linuxquestions/comments/175htwt/is_there_anyway_to_run_the_adobe_creative_cloud/?show=original
Manchmal glitchen Screens im öffentlichen Raum: Werbewände, Kinos oder das Fahrtverlauf Display in der U-Bahn geben dann versehentlich zu erkennen, dass hinter ihnen ganz herkömmliche, manchmal sogar veraltete Systeme stecken. Ich kann noch nicht richtig greifen, was ich fühle, wenn ich zufällig ein Windows XP entdeckt habe. Triumphiere ich darüber, dass ich merke, wie doch alle nur mit Wasser kochen, oder bin ich irritiert und enttäuscht, dass hinter etwas, das mich sonst visuell beeindruckt, doch ein trister Standardbüroplatz steckt?
Windows & MacOS
Computer für den individuellen Gebrauch sind fertig ausgestattet zu kaufen. Ein Betriebssystem und ein Grundstock an →Programmen sind bereits installiert, es kann direkt losgehen. Es ist auch möglich, ein anderes Betriebssystem als das beim Kauf vorinstallierte zu verwenden. Bei Windows ist dies mit weniger Hürden verbunden. Apples Systeme sind sehr geschlossen, da Hard- und Software aus einer Hand stammen. Mit der Einführung eigener Prozessoren ab 2020 wurde diese Integration weiter verstärkt. Bei Windows-Computern gibt es dagegen viele verschiedene Hersteller, die Hardware produzieren, während Microsoft das Betriebssystem bereitstellt. Dadurch ist Windows auf viele verschiedene Hardware-Konfigurationen ausgelegt und weniger geschlossen, was die Installation anderer Systeme erleichtert. Es gibt also technische Fakten, vor allem, was Konfiguration, Reparatur und Software anbelangt, https://www.mediamarkt.de/de/content/it-informatik/software-apps/mac-oder-windows-welches-system die beide Systeme unterscheiden. Ob Windows oder Mac scheint jedoch eine Grundsatzfrage zu sein. Ausschlaggebend ist eventuell viel eher die Funktion des Computers als Statussymbol. Der Computer fungiert als Mittel der Selbstinszenierung, Merkmal eines bestimmten Milieus oder Verkörperung eines Lifestyles. Diese Funktion als Statussymbol ist selbstverständlich nicht auf Apple Produkte beschränkt, sondern wird auch von Geräten anderer Hersteller erfüllt. Lorusso, Silvio: „The User Condition: Computer Agency and Behaviour“ https://theusercondition.computer/: „It should be enough to go to any hackerspace to recognize a similar logic at play, but with a Lenovo (or more recently a Dell) in place of a Mac.“ In ihrer Forschung untersucht die Sozialwissenschaftlerin Sherry Turkle, wie Menschen mit Computern interagieren und welche Auswirkungen diese wechselseitige Begegnung auf Kommunikation und soziale Beziehungen hat. Ihre These ist, dass die Wahl eines Systems für verschiedene, konkurrierende Denkansätze steht: Der entscheidende Unterschied liege dabei in der Interpretation des Begriffs Transparenz. In MS-DOS, dem textbasierten Vorgänger von Windows, zeigten die eingegebenen Befehle direkt, was technisch geschah. Bei Mac bedeutete Transparenz, Dinge umzusetzen, ohne deren technische Umsetzung verstehen zu müssen. „Culturally, the Macintosh carried the idea that it is more fruitful to explore the world of shifting surfaces than to embark on a search for mechanism, origins, and structure.“ Turkle, Sherry: „The Second Self: Computers and the Human Spirit“ S.9 GUIs haben sich durchgesetzt mit der Konsequenz, dass sich die Bedeutung von Transparenz in einem größeren kulturellen Kontext gewandelt hat: „(…) we have grown more likely to accept simulation in other intellectual domains.“ Turkle, Sherry: „Life on Screen. Identity in the Age of the Internet“, Touchstone, News York, 1995. S.42 Einen radikalen Gegenentwurf dazu stellen →Open-Source-Lösungen dar. Hier ist der Quellcode für alle offen einseh- und modifizierbar.
Mit der Forschung des Informatikers Alan Kay Kay war in den 1970er Jahren im
Xerox Palo Alto Research Center (PARC) maßgeblich an der Entwicklung der grafischen
Benutzeroberfläche (GUI) beteiligt. Darüber hinaus setzte er sich intensiv mit mobile computing
auseinander und
engagierte sich für die Vermittlung von Programmiersprachen sowie Medienkompetenz in der schulischen
Bildung. (Vgl.:
Jordan, Ken; Packer, Randall: „Multimedia. From Wagner to Virtual Reality“, 2001. und
https://de.wikipedia.org/wiki/Alan_Kay)
im Hinterkopf geht der Autor und Designer Silvio Lorusso einen Schritt weiter und wirft Apple vor,
die tatsächliche
Lese- und Schreibfähigkeit der Interakteur*innen reduziert zu haben: „Apple placed
creativity and ‚genius‘ at the surface of pre-configured software. Using Kay’s terminology, Apple’s
creativity was relegated to the production of materials (…).“
Lorusso
Interagieren mit dem Computer wird also mehr und mehr zum Navigieren einer Simulation ohne Einfluss auf
diese nehmen zu
können. In Consumer-Betriebssystemen wird die tatsächliche Autonomie des Individuums unter dem Vorwand der
Bequemlichkeit immer weiter reduziert, indem der Zugang zur technischen Grundlage des Computers erschwert
wird. Bei
Mobilgeräten wie Smartphones wird dies besonders deutlich: Die simulierte Tastatur eines Mobilgeräts verfügt
nicht mehr
über Shortcuts und ähnliche Wege zur Steuerung. Sie ist auf die Funktion der Eingabeschnittstelle für Text
innerhalb
einer App reduziert. Kein Befehl über die Tastatur kann aus der App hinausführen.
Open Source
Open Source bezeichnet Software, deren Quellcode frei verfügbar ist. → Betriebssysteme, aber auch alle anderen Arten von Software, zum Beispiel →Programme, Schriften oder →Spiele können open source sein. Nach der Definition der Open Source Initiative (OSI) muss es Anwender*innen erlaubt sein, die Software zu modifizieren, weiterzuentwickeln oder weiterzuverbreiten. https://opensource.org/licenses Dies wird in Lizenzen geregelt. Die Unterschiede der Lizenzmodelle liegen vor allem bei den Bedingungen, unter denen modifizierter Code weiterverbreitet wird. Bei permissiven Open-Source-Lizenzen kann der veröffentlichte Code in proprietärer Software verwendet werden. Hier wird ursprünglich freier Code wieder angeeignet und als nicht quelloffene Software vertrieben. Ein radikaler Gegenentwurf ist das Copyleft Prinzip: Es verpflichtet Entwickler*innen, alle auf einem so lizenzierten Code basierenden Produkte wieder unter dieselbe Lizenz zu stellen. Open Source ist nicht zu verwechseln mit Freeware, diese ist lediglich kostenfrei nutzbar. Die Eigentumsrechte an Freeware liegen bei Firmen, der Quellcode ist nicht einsehbar und darf auch nicht durch Dritte weiterentwickelt und verbreitet werden.
Hinter Open-Source-Software steht die Überzeugung, dass Kulturproduktion in einem freien Austausch von Ideen stattfindet und von verschiedenen Perspektiven lebt. „(…) a tune, an idea or an invention will not lose any of its value or usefulness when it is shared among any number of people.“ Smelting, Femke: „Generous Practice“ https://constantvzw.org/verlag/spip.php?article97# Das Gespräch „Generous Practices“, dem dieser Auszug entnommen ist, wurde von der Designerin Femke Smelting aufgeschrieben. Auf der Seite des Verlags, der den Text veröffentlichte, lässt sich dieser als offene, editierbare Datei herunterladen. Ressourcen als Werkzeuge und Material frei zur Verfügung zu stellen, hinterfragt die etablierten Hierarchien und Autoritäten, die singuläre Autor*innenschaft mit sich bringt. Kulturproduktion, also die Erarbeitung und Weitergabe von Wissen, hat im europäischen und nordamerikanischen Raum mit der Aufklärung eine Mystifizierung erfahren. Immanuel Kant prägte den Begriff des Genies in der „Kritik der Urteilskraft“ als „angeborene Gemütslage“, quasi als Naturgewalt, das „selbst nicht weiß, wie sich in ihm die Ideen dazu herbei finden, auch es nicht in seiner Gewalt hat, dergleichen nach Belieben oder planmäßig auszudenken, und anderen in solchen Vorschriften mitzuteilen, die sie in Stand setzen, gleichmäßige Produkte hervorzubringen.“. (https://www.projekt-gutenberg.org/kant/kuk/kukp461.html) Der Geniebegriff hält sich hartnäckig, obwohl belegt ist, dass viele große Werke der europäischen Kunstgeschichte in Werkstätten entstanden, die dann lediglich unter der Führung der Person standen, die später als Genie bekannt werden sollte. Die Umfelder, Diskurse und Gemeinschaften, aus denen eine Idee entsteht, werden so anerkannt und durch die Weitergabe werden schlussendlich neue Akteur*innen eingeladen und beteiligt. „It’s important to feed the ecology that keeps you going. We don’t consider our work to be the mere production of unique art works, but as the production of knowledge. If not shared (…) this knowledge is reduced to superficial ‘information’.“ Smelting
Open-Source-Software unter Copyleft Lizenz kann als Commons bezeichnet werden. Commons sind materielle und immaterielle Allgemeingüter oder Ressourcen. Der Begriff beinhaltet ausdrücklich nicht nur Produktion, sondern auch gemeinschaftliche Prozesse wie Verwaltung, Nutzung und Selbstorganisation und die Relationen, in denen Akteur*innen und ihr Umfeld zueinander stehen. https://de.wikipedia.org/wiki/Commons Ein solches Verständnis vom eigenen Handeln könnte ein solidarisches Miteinander ermöglichen. Das Versprechen von individuellem Profit in kapitalistischen Wirtschaftssystemen hat so fatale Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft, dass es auf lange Sicht auch den individuellen Profit verunmöglicht. Werden Produktionsmittel, Verantwortung und Arbeit geteilt, stärkt dies die Gemeinschaft, anstatt sie durch große wirtschaftliche Kontraste zu zermürben.
Temporäre Betriebssysteme
Temporäre Betriebssysteme werden vor allem aus Datenschutzgründen verwendet. So werben auch die Entwickler*innen von Tails OS, eine auf Linux basierende Open Source Lösung, für „ein tragbares Betriebssystem, das Sie schützt gegen Überwachung und Zensur.“ https://tails.net/ Tails ist eine portable Lösung um Computer temporär sicher zu machen. Die Bootreihenfolge wird dazu so geändert, dass das Gerät zunächst versucht, von einem USB-Stick zu starten, bevor es das installierte Betriebssystem lädt. Ist ein USB-Stick mit Tails vorhanden, startet der Computer von diesem Stick und lädt das Tails-Betriebssystem. Als Live-System nimmt Tails keine Änderungen an Festplatte oder vorinstalliertem Betriebssystem vor. Ohne den Stick, beziehungsweise bei der Rückkehr zur Standard-Bootreihenfolge, startet der Computer wie gewohnt das vorinstallierte Betriebssystem.
Auch die GUI von Tails enthält die Desktop-Metapher. Die Nutzung dieses Systems verlangt also keine Umgewöhnung. Als Open Source Betriebssystem ist Tails OS mit regelmäßigen Updates auf der Entwickler*innenwebsite frei verfügbar. Interessierte müssen sich jedoch selbst einen USB-Stick mit dem System erstellen. Dazu wird eine ausführliche Schritt für Schritt Anleitung bereitgestellt.
Ein temporäres Betriebssystem ist ein Gegenentwurf zur Personalisierung und Einrichtung, die Individuen sonst gern auf ihren Geräten vornehmen. Trotzdem können auch in Tails Dateien gespeichert werden. Diese liegen dann allerdings in einer passwortgeschützten Partition des USB-Sticks. Verschlüsselung und begrenzte Speicher führen nicht in Versuchung, viel zu behalten. Im Gegenteil begrüßt eine*n Tails immer neu, wie ein aufgeräumter Arbeitsplatz in einer öffentlichen Bibliothek und erinnert daran, dass man sich in öffentlichen Räumen befindet und Datenspuren etwas verraten können.
Tails OS ist nach Angabe der Entwickler*innen mit „den meisten Computern, die weniger als 10 Jahre alt sind“ https://tails.net/doc/about/requirements/index.de.html kompatibel. Jedoch ist es bisher nicht gelungen, Tails auf Computern mit Apple Silicon Chip zur Verfügung zu stellen. Mit Apple Silicon entwickelt Apple seit 2020 seine eigenen Prozessoren. Diese System-on-a-Chip Prozessoren nutzen ähnlich wie Smartphones die ARM Architektur. Alle Daten werden zudem automatisch durch hardwarebasierte Verschlüsselung geschützt. https://en.wikipedia.org/wiki/Apple_silicon Während sich aus anderen Computern Festplatten entnehmen und auslesen lassen, lässt sich auf die SSD eines Macs mit Silicon nicht ohne den Chip selbst und natürlich das Systempasswort zugreifen. Die Prozessorarchitektur bestimmt, welche Instruktionen der Prozessor ausführen kann und wie Daten und Befehle interpretiert werden. →Programme und Betriebssysteme müssen daher auf die jeweilige Architektur abgestimmt sein. Tails OS und andere Linux-Distributionen sind für die x86-Architektur entworfen. Linux muss also neu auf ARM umgeschrieben werden. https://asahilinux.org/about/
„Hier konnte niemand sonst Einlass erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe ihn.“ Kafka, Franz: https://homepage.univie.ac.at/st.mueller/kafka.html
Programme
Programme sind Anwendungssoftware, die eine oder mehrere Funktionen hat und auf Computern ausgeführt wird. Im Gegensatz dazu sind Apps vor allem für die Nutzung auf Mobilgeräten gedacht, obwohl es auch Desktop-Apps gibt. Ein langer Klick auf ein laufendes Programm in der Taskleiste (Windows), beziehungsweise dem Dock (Mac OS), das Dropdownmenü unter dem Namen der Anwendung in der Menüleiste (Mac OS) und die Tastenkombination ⌘ + Q beenden das Programm. Das offene Programmfenster in Mac OS lässt sich über einen roten Kreis oben links schließen. Beim Hovern des Cursors erscheint in diesem ein Kreuz vor dem roten Hintergrund. In Windows befindet sich der rote Schließen-Button oben rechts. Bis auf wenige Ausnahmen wie Messenger-Dienste oder Musikplayer beendet das Schließen des Fensters auch das Programm.
Dateien
Dateien sind digitale Informationseinheiten, die in →Programmen geöffnet werden können. Nicht jede Datei lässt sich von jedem Programm öffnen. Dateien werden in GUIs als Textzeile, Icon oder, wenn sie geöffnet sind, in einem Programmfenster dargestellt. Einige →Programme, darunter die Anwendungen der Adobe Creative Cloud, unterstützen →Tabs. Hier können Dateien geschlossen werden, ohne das →Programm selbst zu schließen.
Dialogfenster
Dialogfenster werden eingesetzt, wenn der Computer eine direkte Rückmeldung zu einem Prozess verlangt: bei der Installation eines Programms, einem dringenden Hinweis oder einer Mitteilung. Dabei wird zwischen modalen und nicht modalen Dialogfenstern unterschieden. Modale verhindern sämtliche Interaktionen mit anderen →Programmen, bis das Anliegen des Dialogs bearbeitet wurde. Dialogfenster leiten mit wenigen Buttons oder Checkboxen durch einen Prozess. Dialogfenster können über ein Kreuz geschlossen werden, verfügen aber zusätzlich oft auch über einen Abbrechen-Button. In ihrer Funktionsweise ähneln sie →Pop-Ups auf →Webseiten.
Photoshop fragt: „Änderungen an dem Adobe Photoshop-Dokument ‚2412-test.psd‘ vor dem Beenden speichern?“. Darunter drei Buttons in der Reihenfolge: speichern, nicht speichern, abbrechen. Speichern ist blau hinterlegt, die anderen beiden sind grau. Das Programm bietet gewissermaßen an, einen Schlüssel mitzunehmen. Es ist wie, wenn man in der Wohnung von Freund*innen übernachtet hat und verabredet ist, dass man dann geht, abschließt und den Schlüssel in den Briefkasten wirft. Ich zögere immer einen Moment und überlege, ob ich wirklich nichts vergessen habe, keinen dreckigen Socken und auch kein eingeschaltetes Licht.
Palette & Tool-Windows
Ein Werkzeugfenster oder Palette lässt sich zu den nicht modalen →Dialogfenstern zählen. Eingesetzt, um Werkzeuge oder Informationen innerhalb eines Programms griffbereit zur Verfügung zu stellen, kann es flexibel auf der Arbeitsfläche platziert werden. https://en.wikipedia.org/wiki/Palette_window Ein auf diese Art modularisiertes Interface verspricht, sich individuellen Arbeitsabläufen anzupassen. Ein versehentlich geschlossenes Palettenfenster wieder zu öffnen kann ein kleines Rätsel darstellen.
Spiele
Spiele sind nicht mein Feld. Ich spiele einfach keine Computerspiele. Ohne also tatsächliche Erfahrung als Spieler*in beisteuern zu können, lässt sich wie im →Internet auch hier eine Plattformisierung beobachten. Plattformen wie Steam oder Fortnite fungieren als Vertrieb, Soziales Netzwerk und persönliche Bibliothek. Spiele sind eine Möglichkeit des →Eskapismus, den digitale Realitäten bieten.
Browser
Webbrowser sind →Programme, die Dateien, wie zum Beispiel HTML-Dateien, PDFs oder Bilddateien, öffnen können. Der Webbrowser ist die Haustür aus den lokalen Anwendungen unseres Computers hinaus. Für die Darstellung einer Website ist die Browser-Engine verantwortlich. Hierbei wird das HTML-Dokument gelesen und analysiert. Dieser Vorgang wird als parsen bezeichnet. Danach berechnet die Engine Größe und Position der Elemente und rendert auf Basis dessen die Seite. Einige Browser nutzen dieselbe Engine. So basieren Microsoft Edge, Opera und Brave auf Chromium und teilen so die technische Basis mit Google Chrome. https://developer.mozilla.org/en-US/docs/Learn_web_development/Getting_started/Environment_setup/Installing_software#modern_web_browsers Chromium ist Open Source, wird aber maßgeblich von Google entwickelt. https://en.wikipedia.org/wiki/Chromium_(web_browser) Mozilla Firefox und Apples Safari haben wiederum eigene Engines. Diese unterschiedlichen Fundamente führen dazu, dass Websites in verschiedenen Browsern kleine Unterschiede aufweisen können. Ein Browser formt die Sicht auf eine Website mit und trägt zur Atmosphäre des Internets bei. Das Programm bestimmt, wie Informationen gesucht und strukturiert werden. Eine Norm, wie das Web funktioniert und aussieht, ist entstanden. Die Ausstellung „Choose your Filter!“ im ZKM Karlsruhe versammelte experimentelle Browser und Browser Extensions der 90er und frühen 2000er Jahre. https://zkm.de/de/2025/02/choose-your-filter Maciej Wisniewskis „netomat“ lässt Suchergebnisse über das Display schweben. Mit der Maus kann der*die Interakteur*in durch die Informationen tauchen. Die Darstellung erinnert an Muriel Coopers „Information Landscapes“. https://www.artforum.com/events/maciej-wisniewski-206743/ Der „Surface Browser“ von Tim Plaisted https://www.boxc.net/surfacebrowser.html wagt ein anderes räumliches Experiment: die Besucher*innen befinden sich in einem Tunnel, der an eine Wasserrutsche erinnert. „JODI’s % WRONG Browser experiment pushes me to go beyond my humanness, as if promising to make me see what usually cannot be seen.“ Hinterwaldner, Inge/ Hönigsberg, Daniela/ Mitrokhov, Konstantin (ed.): „Navigation. Begriffe des digitalen Bildes“, UP LMU, München 2022, (forthc.). S.83 reflektiert Sonia Fizek ihre Interaktionserfahrung bei der Dokumentation eines künstlerischen Browsers.
Internet
Das Internet ist ein globales Rechnernetzwerk, bestehend aus physischen Leitungen, Funkverbindungen und Vermittlungstechnik. Der Austausch von Daten innerhalb dieses Netzwerks findet über Internetdienste statt. Zu den Internetdiensten zählen zum Beispiel das →World Wide Web, E-Mail oder Internetradio. Sie unterscheiden sich durch die verwendeten Protokolle, die festlegen, wie Daten verarbeitet und übertragen werden. https://de.wikipedia.org/wiki/Internetdienst
In diesem Text ist mit Internet der Kulturraum und nicht die technische Infrastruktur gemeint. Auch dieser
Kulturraum
umfasst verschiedene soziale und mediale Räumen, wie das →World Wide Web,
Streaming Dienste, soziale Netzwerke,
Kommunikationsanwendungen wie E-Mail oder Messaging-Dienste und kollaborative Plattformen.
Um sich im Internet aufzuhalten, können wir verschiedene →Programme oder Apps
verwenden: →Browser
bringen uns ins →World Wide Web, Messenger Apps ermöglichen Gespräche mit
anderen
Menschen und FTP Clients verbinden uns
pragmatisch mit
Speicherplatz anderswo. Unser Gefühl für den digitalen Raum online entsteht also durch das Ineinandergreifen
verschiedener Technologien und Geräte. Mit vernetzten Gegenständen in einem →Internet der Dinge kommen mehr
und mehr
Anwendungen hinzu. Unsere →Tabs im Browser an einem Computer werden um Apps
auf
Mobilgeräten ergänzt, es
sind viele
Türen offen.
Die Selbstbezeichnung ‚Internet Explorer‘ Dies ist eine Hommage an den →Browser →Browser von Microsoft. Der Internet Explorer wurde Mitte der 90er Jahre vorgestellt, seine Entwicklung wurde 2022 eingestellt. https://de.wikipedia.org/wiki/Internet_Explorer ist sehr beliebt in den →sozialen Medien.
World Wide Web
Das World Wide Web ist eine verteilte, aber untereinander verlinkte Sammlung von Dokumenten. Es befindet sich im Internet und kann mit Hilfe eines →Browser besucht werden. Mit der Metapher des Netzes liegt der Schwerpunkt auf dem Aspekt der globalen Vernetzung. Wie ein Spinnennetz umspannt das Web den Globus und schlägt so eine Klammer um andere Systeme, Gesellschaften und Ökologien.
Websites
„What kind of room is a website? Or is a website more like a house? A boat? A cloud? A garden? A puddle? A website can be anything“ Schwulst, Laurel: „My website is a shifting house“ https://laurelschwulst.com/e/my-website-is-a-shifting-house/
Eine Website ist eine Datei, die in einem Webbrowser geöffnet werden kann. Sie kann aus einer oder mehreren Seiten bestehen, die miteinander verlinkt sind. Websites können auf einem Webserver, einem Computer, der ständig mit dem Internet verbunden ist, oder lokal auf einem Speichermedium liegen. Ist eine Website geöffnet, zeigt ihre URL an, wo sie sich befindet. https://developer.mozilla.org/en-US/docs/Learn_web_development/Getting_started/Environment_setup/Browsing_the_web Wir besuchen Websites mithilfe eines →Browser und verlassen sie, indem wir, über eine Verlinkung oder die Eingabe einer neuen Adresse, zur nächsten Website gehen, vielleicht in einem neuen →Tab.
Der 1994 gegründete, kostenfreie Webhostingservice Geocities war in sechs Nachbar*innenschaften gegliedert.
Beim
Erstellen ihres Seite konnten sich die Menschen für ein Viertel entscheiden. Die URL einer Seite würde den
Namen des
Viertels sowie eine Hausnummer enthalten.
https://en.wikipedia.org/wiki/GeoCities
Silvio Lorusso schreibt: „The early web could be understood as a giant collaborative
hypertext. Keeping everything together was the hyperlink,
the building block of nonlinearity.“ Dies sei unter dem Vorwand der Bequemlichkeit abgelöst worden
durch Hyperlinearität, der vernetzte Linearisierung
unterschiedlicher Inhalte in Listenform. →Social Media Plattformen
ziehen
verschiedenste Inhalte in einer Timeline zusammen.
„Sure, a user can still click their way out, but that feels more like sedentary zapping
than an active exploration of
networked space. From Facebook to Instagram to Reddit and back again.“ Lorusso
Wenn ich durchs Internet streife, verweile ich auf den meisten Websites nur kurz. Ich überfliege die Texte und lasse mich von einem Link weiter tragen. Viele große Plattformen und Nachrichtenseiten sind visuell so pragmatisch, dass ich sie nicht aus Interesse an ihrer Visualität wieder besuchen würde. Es gibt aber kleinere Publikationen, die ich in einem Are.na Plattform mit Charakter von sowohl Datenbank als auch sozialem Netzwerk. Are.na über sich selbst: „Are.na is a place to save content, create collections over time and connect ideas. Privately or with other people. (…) It's a place to structure your ideas and build new forms of knowledge together.“ https://www.are.na/about Board sammle, wie ich schöne Bücher gern in meiner Nähe habe.
Mit der weiten Verbreitung von Smartphones lässt sich die Appifizierung von Interfaces beobachten. Dies zeigt sich einerseits darin, dass Benutzeroberflächen zunehmend auf eine einzige Funktion reduziert werden, und andererseits darin, dass klassische Webseiten durch Apps verdrängt werden. In diesem Fall wird das Internet zur notwendigen Infrastruktur eines aus Apps bestehenden User Interfaces. Handlungsspielräume für die Interakteur*innen werden so zunehmend eingeschränkt. https://www.igi-global.com/dictionary/appification/50128
Tabs
Hypertext Markup Language abgekürzt mit html ist eine der grundlegenden Sprachen des Internets und ermöglicht ständige Querverweise. alias Verlinkungen Als netzwerkartige Sprache kann Hypertext lineares Lesen aufbrechen und steht in einer Tradition von Verweissystemen wie Fußnoten oder Glossaren—Strategien, die helfen sollen, Bezüge und Relationen zum Geschriebenen herzustellen. Links auf Websites tragen dazu bei, wie wir uns durchs Internet bewegen: ein uns unbekanntes Wort auf Wikipedia führt zur Definition und zu Hintergründen in einem neuen Artikel, erschließt uns einen Blog, führt weiter zu einer Bilddatenbank, zu einem Webshop (…). und so weiter
Seit 2006 sind Tabs—Registerkarten—in Browsern gängig. So muss nicht jede neue Seite in einem neuen Fenster geöffnet werden, was den Arbeitsspeicher des Computers und Platz auf dem Desktop schont. https://de.wikipedia.org/wiki/Tabbed_Browsing Die Seite, von der der Verweis stammt, muss auch nicht verlassen werden, stattdessen wird parallel eine neue Seite geöffnet. Tabs können ebenfalls mit einem Klick auf ein Kreuz geschlossen werden.
Wir öffnen also einen neuen Tab, wenn etwas interessant aussieht, und lesen dann doch auf der Ausgangsseite
weiter. Wir
akkumulieren Tabs als Erinnerungen an Gedanken, die wir weiterdenken wollen. Da Computer am Ende des Tages
nicht mehr
zwangsläufig ausgeschaltet werden müssen, müssen auch Internet Sessions nicht mehr beendet werden. Der
Akkumulation von
Tabs über Tage und Wochen hinweg steht nichts mehr im Weg. Es fällt leicht, Dinge, die augenscheinlich
keinen physischen
Platz in unserem Umraum verbrauchen, zu horten. Dennoch beeinträchtigen zu viele Tabs die Leistung des
Browsers und
eventuell des ganzen Computers, da zu ihrer Aufrechterhaltung Arbeitsspeicher gebraucht wird. Im Browser
besteht also
die Möglichkeit viele Türen offen zu lassen, mit einem Fuß an einem Ort und zugleich auch nicht richtig dort
zu sein.
Der Browser Arc hat die Standardeinstellung Tabs nach 12 Stunden zu archivieren.
https://resources.arc.net/hc/en-us/articles/19228855311127-Auto-Archive-Clean-as-you-go
Ich bin überzeugt, dass nach 24h die meisten geöffneten Tabs obsolet geworden sind. Ob es nun Lohnarbeit,
Recherchieren
oder Einkaufen gehen ist, wir fangen selten exakt dort an, wo wir zuletzt aufgehört haben und das ist auch
in Ordnung.
In der Zeit, die wir nicht mit diesen Tätigkeiten verbracht haben, wird sich etwas verändert haben. Das
Gehirn
verarbeitet Informationen auch unbewusst, während wir mit anderem beschäftigt sind. So kann der nötige
Abstand gewonnen
werden, mit dem man sich einem Thema wieder frisch annähert. Um wieder zu beginnen, ist es gut, wenn unser
Material
griffbereit ist. In mehr als 10 offenen Tabs im selben Fenster ist das wohl kaum der Fall.
Es könnte eine niemals genauer konfrontierte Verlustangst sein, die Menschen dazu bringt, Tabs nie zu
schließen.
Vielleicht wird aber auch die Entscheidung vermieden, etwas als irrelevant auszusortieren. An dieser Stelle schweife ich kurz ab und schließe einen Tab, der schon sehr
lange offen ist.
Viele Tabs versprechen, Gedanken gleichzeitig, gleich tiefgründig denken zu können. Das Versprechen kann nicht eingelöst werden. Der Begriff des Multitaskings, der Fähigkeit, sich gleichzeitig mehreren, nicht miteinander verbundenen Aufgaben widmen zu können, ist vermutlich aus dem Bereich der Betriebssysteme auf den Menschen übertragen worden. Grundsätzlich wird Multitasking in den Neurowissenschaften eher negative Effekte zugeschrieben, explizit auch in Bezug zum Aufhalten im Internet. (ttps://de.wikipedia.org/wiki/Multitasking_(Psychologie)) Stattdessen bleiben Gedanken unvollendet und fragmentieren. Ablenkung ist stets nur einen Klick entfernt. „I’m noticing ticks, moments when I’ll drift from the task at hand and absent-mindedly open a new tab in my browser“ Nico Chilla auf Are.na: https://www.are.na/block/33151613
Pop-Ups
„The first rule of pop-up control is to always close them without clicking anywhere inside the pop-up itself, no matter what it says.“ Artikel aus dem Magazin „SmartComputing“ von September 2004 https://web.archive.org/web/20100522050023/http://www.smartcomputing.com/Editorial/article.asp?article=articles%2FWebOnly%2FTechSupport%2F441w10%2F41w01.asp&guid= Kleine Fenster, die oft mit kleiner Verzögerung nach dem Laden der Seite auftauchen, werden als Pop-Ups bezeichnet. Dabei verdecken sie andere Teile des GUI und müssen so vor weiterer Nutzung einer Seite bearbeitet werden. Durch die Bewegung, mit der sie erscheinen, lenken Pop-Ups die Aufmerksamkeit der Lesenden auf sich. Pop-Ups werden besonders dann eingesetzt, wenn etwas verkauft werden soll. Einige fungieren als Hinweis, das Abo einer Zeitung abzuschließen oder als lockender Rabattcode, andere sind kleine Fallen, die bei Klick auf einen vermeintlichen Schließen Button einen Download starten würden.
Auf die „Detection of exit behavior of an internet user“ wurde ein Patent angemeldet. https://patents.google.com/patent/US8645212B2/enMit dieser Technik wird
meist über Javascript die Mausbewegung der Websitebesucher*in verfolgt. Verlässt der Cursor die
Seite nach oben hin, also in Richtung von Schließen-Kreuz und Adresszeile, wird ein Pop-Up ausgelöst. https://en.wikipedia.org/wiki/Exit_intent_popupDieses enthält in der
Regel
einen Anreiz, die Interaktion mit der Seite fortzusetzen.
Eine Sonderform des Pop-Ups ist das Pop-Under. Wie der Name andeutet, öffnet sich der zusätzliche Inhalt
hierbei unter
der Ausgangsseite, zum Beispiel als neues Browserfenster.
https://www.mediensprache.net/cms/lexicon.aspx?lexicon=technik&area=&lang=de&qu=Pop-under
Aber wer ist heute eigentlich noch ohne Werbeblocker Beziehungsweise content
blocker, so die Selbstbezeichnung der Browser Erweiterung uBlock Origin
https://ublockorigin.com/ im →World Wide Web unterwegs und bekommt
Pop-Ups zu sehen?
Grafisch und interaktiv gab es in jedem Fall lustige Dinge zu beobachten, als wir die digitale Zettelflut
noch nicht aus
unserem täglichen Surfen verbannt hatten. Oft schnell und roh gestaltet, bewegten sich einige Werbeanzeigen
irgendwo
zwischen Webrelikt https://anlucas.neocities.org/88x31Buttons und
Glitch. Gestalterische Nachbar*innen sind einfache Flyer und Kärtchen von Autohändler*innen, die an die
Scheiben
geparkter Fahrzeuge gesteckt werden.
Der Bruch von grafischen Konventionen wirkt befreiend und so finden sich im Grafikdesign häufig Referenzen
an die
Reibung, die in solchen Designs steckt. Menschen legen Sammlungen solcher Gestaltung an. Maximilian Kiepe
hat mit
thehardestonlineshop.com einen Kommentar auf die mit Pop-Ups und Dark-Pattern einhergehenden Widerstände
entworfen.
Accounts
In meinem Passwortmanager sind 108 Logins für Online-Accounts gespeichert. Irgendwo im Web verstreut habe ich über einhundert [ ] was eigentlich? Kleine Schließfächer oder Visitenkarten oder sowas wie Zelte, in denen ich mal unterkommen könnte? Das Internet ist viel zu einladend. Ständig wird irgendwo angeboten, sich anzumelden. Die Seiten locken mit Zugang zu mehr Inhalten, werbefreien Inhalten, personalisierten Angeboten oder dem Versprechen einer Community. Der Sportartikelhersteller Adidas nennt den Anmeldebereich auf seiner Website jetzt zum Beispiel „Adiclub“. Wer sich anmeldet, kommt vermutlich eher wieder zurück oder geht eben nicht. Eine Verbindlichkeit zwischen einer Seite und der Besucher*in entsteht.
Um einen Account zu verlassen, meldet man sich ab bzw „loggt sich aus“. Die Schaltfläche hierzu befindet sich in der Regel bei den Profilinformationen, die in Browsern oben rechts oder links angesteuert werden können. Oft wird das zu Beginn des Texts beschriebene →Logout Symbol aus Kasten und Pfeil verwendet, bisweilen ist auch Abmelden oder Logout ausgeschrieben.
Ein nicht mehr genutzter Account bleibt in der Regel bestehen. Es liegt bei den Anbieter*innen, inaktive Konten zu löschen. Google begann im Dezember 2023 Konten zu löschen, die seit zwei Jahren inaktiv sind. https://support.google.com/accounts/answer/12418290?hl=de Zum wirklichen Verlassen der Plattform wird also von den Nutzer*innen verlangt, aktiv zu werden. Für alle Online-Accounts gilt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union. Nach Artikel 17, dem „Recht auf Vergessenwerden“, kann die Löschung der personenbezogener Daten verlangt werden. https://dsgvo-gesetz.de/art-17-dsgvo/
Plattformisierung
Der Begriff der Plattformisierung beschreibt die zunehmende Geschlossenheit und Reduktion →digitaler Räume hin zu wenigen großen Plattformen, die nach kapitalistischer Logik operieren. Die Algorithmen der Plattformen bestimmen beispielsweise, welche Inhalte sich verbreiten und besonders viel Resonanz bekommen. Im Interesse der Plattformen ist, dass Menschen sie nicht verlassen, da bei der Nutzung Mehrwert in Form von Daten generiert wird. Daher wird angestrebt, möglichst viele Bedürfnisse der Mitglieder zu befriedigen, darunter Netzwerken, Chatten, Einkaufen und Newsmeldungen. Ein gutes Beispiel sind die Dienste von Meta, darunter Facebook und Instagram.
Dark Patterns
Dark Patterns sind Tricks in der Interfacegestaltung, die eingesetzt werden um Konsument*innen zu bestimmten Handlungen zu verleiten. Diese Steuerung des Verhaltens geschieht in der Regel zum Nachteil der Nutzer*innen. https://www.deceptive.design/ Besonders gut lassen sich Dark Patterns auf Verkaufsplattformen beobachten. Eine Manipulation zum Kauf erfolgt durch vermeintliche Knappheit des Produkts oder die Simulation eines vollen Ladens „25 andere haben dieses Produkt im Warenkorb“, an der Kasse kommen vorher nicht ersichtliche Kosten hinzu.
Kosten hinzu. Mit dem Digital Services Act der EU (DSA), der seit Februar 2024 in Kraft ist, sind Dark Patterns auf Seiten, die ihre Dienste im europäischen Binnenmarkt anbieten, verboten. Für die Durchsetzung ist bei großen Plattformen die Europäische Kommission zuständig, um kleinere Plattformen kümmern sich nationale DSA-Koordinatoren. Letztere sollen vor allem auch auf Hinweise von Organisationen wie Verbraucherzentralen oder Bürger*innen hin tätig werden. https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/gesetz-ueber-digitale-dienste-2140944
Autoplay
Die Visualität des Internets hat sich in den wenigen Jahrzehnten seiner Existenz sehr verändert. Bessere Bildschirme, Prozessoren und Grafikkarten haben gestalterisch und interaktiv viele Möglichkeiten geschaffen. Trotzdem ist das Internet für einige gleichbedeutend mit ein paar wenigen Konsum-, Game- und Social Media Plattformen geworden. Viele dieser Seiten lassen sich die Nutzung ihres Angebots mit den Datensätzen bezahlen, die die Interakteur*innen während ihres Aufenthalts generieren. Diese Services werden dann in der Regel als free of charge oder kostenfrei bezeichnet, was natürlich so nicht stimmt. Die Währung ist lediglich nicht Euro oder Dollar und wird nicht von einem Bankkonto abgebucht. Bezahlt wird in Nutzungsdaten. Dort verbrachte Zeit ist Geld. Es wurde also viel Zeit in die Forschung darüber verwendet, wie man Menschen am besten dazu bringt, nicht zu gehen. Die Ergebnisse dieser Forschung schlagen sich in vielfältigen →Dark Patterns nieder. So ist ein Instagram Feed endlos, lediglich eine Meldung mit einem Häkchen, man habe alle Meldungen der letzten drei Tage gesehen, erscheint irgendwann. Weiter scrollen kann man dann aber trotzdem.
Viele Seiten bieten außerdem Explore Pages oder Galerien mit ähnlichen Inhalten an, denn „das könnte Sie auch interessieren“. Auch wenn also ein Text zu Ende gelesen ist, eine Seite ganz an ihr Ende gescrollt wurde, lesen Sie doch hier weiter.
Videoplattformen wie Youtube oder Netflix enthalten per default eine Autoplay-Funktion. Ist ein Video vorbei, spielt das nächste direkt. Aufhören wird einmal mehr zu einer Entscheidung, die bewusst getroffen werden muss. Dabei ist in einem endlosen Feed die einzige mögliche Interaktion der Klick auf Stop.
Über längere Zeit wird mein Bewegungsradius im Internet immer kleiner. Wenn ich aber irgendwie, über einen merkwürdigen Suchbegriff oder eine neue Plattform, doch in ungeahnten Ecken lande, erinnert mich dieses Internet daran, dass da eine Welt ist, die riesig ist. Zeitgleich entwickeln sich Zivilisationen in (dystopische) high-tech Zukünfte, während andere sich in ihren letzten Atemzügen zu befinden scheinen.
„Where am I, and how can I leave?“ https://www.youtube.com/watch?v=OlZ3qloU9GAAgent Cooper in the Black Lodge. From Lynch, David: (2014) „Twin Peaks: The Missing Pieces“. Absurda und MK2 Diffusion. https://www.imdb.com/de/title/tt5334704/?ref_=vp_close
Performing Online
Was auf →Social Media passiert, ist in Teilen eine
situationsbezogene,
zeitbasierte Aufführung von
Aktionen, die für ein
Publikum gedacht ist. Das ist in erster Linie kein Problem. Der Soziologe Erving Goffman stellt die These
auf, dass
Menschen in Interaktionen generell darum bemüht sind, ein gewisses Bild von sich zu präsentieren. Eine
Aufführung findet
also so oder so statt. Vgl. Goffman, Erving: „The Presentation of Self in
Everyday Life“, University of Edinburgh Social Science Research
Centre, Edinburgh, 1956. Zitiert nach: Tolentino, Jia: „The I in Internet“
https://lab.cccb.org/en/the-i-in-the-internet/
Im Internet nimmt dieses Darstellungsspiel aber eine neue Form an. Jia Tolentino schreibt dazu in
ihrem Essay „The I in
Internet“: „As a medium, the internet is defined by a built-in performance incentive.
In real life, you can walk around living
life and be visible to other people. But you can’t just walk around and be visible on the internet—for
anyone to see
you, you have to act.“ Wer nicht performt, ist weniger sichtbar oder verschwindet ganz. Tolentino, Jia: „The I in Internet“
https://lab.cccb.org/en/the-i-in-the-internet/ Dazu kommt ein wichtiger
Unterschied zwischen on-
und offline Performance: auf Social Media muss die Performance nicht
nur den persönlichen Zielen des Individuums dienen, sondern auch dem Algorithmus der Plattform. Kosman, Marcelle; McGregor, Hannah: „Material Girls: Blackout Tuesday x
Platformization“, Witch Please Productions,
2023. ab Min. 37 https://www.ohwitchplease.ca/all-episodes/materialgirls-blackouttuesdayxplatformization
Script des Podcasts:
https://static1.squarespace.com/static/6241df103a1e041c2e2f4f6b/t/6566399dcd64f724cef0f45d/1701198237907/Season+1%2C+Episode+10_+Black+Out+Tuesday+X+Platformitization.pdf
Über die →Plattformisierung des Internets hat sich die Welt dahingehend verändert, dass die eigene Identität
- in ihrer
Aufführung - die letzte natürliche Ressource des Kapitalismus geworden ist, konstatiert Tolentino. vgl. Tolentino Wir stehen also vor einem Problem, das kollektiv gelöst
werden muss. Auf individueller Ebene kann die Entscheidung gegen
→Account auf →Social Media
getroffen werden. Das
Individuum bleibt jedoch Teil einer Gesellschaft, die
maßgeblich von
den Plattformen geprägt wurde und weiterhin beeinflusst wird. Diese Veränderungen wirken über das Internet
hinaus in
gesellschaftliche, kulturelle und politische Strukturen. Kosman, McGregor ab
Min. 39:27 und Min. 42:21 Posten wird als einzige Aktivitätsform, ob politisch, aktivistisch oder
beruflich, etabliert. Nicht posten wird dann im
Umkehrschluss als Gleichgültigkeit gegenüber dem jeweiligen Thema ausgelegt. Dabei werden andere Formen der
Teilnahme,
wie zum Beispiel Demonstrationen oder die Arbeit in lokalen Netzwerken, vergessen. Kosman, McGregor ab Min. 49:51
Die Konstruktion von Online-Profilen bezeichnet die Journalistin Naomi Klein als „Doppelgängerkultur“: „A culture crowded with various forms of doubling, in which all of us who maintain a persona
or avatar online create our
own doppelgangers—virtual versions of ourselves that represent us to others. (…) Tech companies use these
data troves to
train machines to create artificial simulations of human intelligence and human functions
(…).“ Klein, Naomi: „Doppelganger - A Trip into the Mirror World“,
Farrar, Straus and Giroux, New York, 2023. S.15f Die Figur der Doppelgänger*in in Literatur und
Mythologie sei ein Hinweis auf etwas Unterdrücktes, eine lauernde Gefahr,
ein böses Gegenstück. Nicht nur Individuen, auch Staaten oder Ethnien könnten einen Doppelgänger haben, so
Klein. Vgl. Klein S. 13–16
Künstlerische Online-Performances reflektieren diese Dynamiken, indem sie die Konstruktion und Wahrnehmung
digitaler
Identitäten untersuchen. Als erste →Social Media Performance gilt
Amalia Ulmans
„Excellences and Perfections“. Über den Zeitraum einiger Jahre performte sie verschiedene
Ideen von netter, nicht zu aufregender Mädchenhaftigkeit: „I learn mostly from books and
movies🌸 🌺eating, blogging, shopping & sleeping🌺“ Amalia Ulman ist
vielleicht die Erste Künstlerin, die Instagram als Medium erprobt. Zwischen April und September 2014
entwickelte sie mit Beiträgen auf der Plattform verschiedene Handlungsstränge.
(https://webarchives.rhizome.org/excellences-and-perfections/20141014150552/http://instagram.com/amaliaulman)Als
sie die Performance beendet und damit offenlegt, sind ihre Follower enttäuscht: Es war ihnen nicht klar,
dass sie
eine künstlerische Arbeit sehen. Legacy Russel kommentiert dies in „Glitch
Feminism“ S. 78: „Few looking at Ulman’s Instagram could tell the difference
between art and life, and so the work itself—confirming that, yes, white femme ascendancy still had an
audience—was only
made profound by the art-world calling it so.“
Künstlerin und Designerin Molly Soda beschwört in ihren Arbeiten, die sowohl online als auch im
Ausstellungsraum
stattfinden, eine Coming-of-Age-Nostalgie Coming-of-Age bezeichnet den
Übergang von Kindheit zu erwachsen sein. „Coming-of-age stories tend to emphasize dialogue
or internal monologue over action“ (https://en.wikipedia.org/wiki/Coming-of-age_story)
, Sehnsucht romantisch bebildert auf Plattformen wie Tumblr, herauf. Sie beschäftigt sich dabei vor
allem mit Bildern
und Mechaniken von Intimität, Verletzlichkeit und Scham. Oft geht es dabei auch um die Gefühle, die die
Betrachter*innen
ihrer Arbeiten spiegeln. „A lot of my work deals with the reactions that
people give me: secondhand embarrassment they might be feeling or shame
attached to something they see.“
https://thecreativeindependent.com/people/molly-soda-on-making-art-from-your-online-history/
Ursprung von Sodas künstlerischer Praxis ist die eigene Erfahrung eines unvoreingenommenen Spiels mit
Plattformen wie
YouTube und Myspace.
Bei Performances online und offline stellt sich für mich die Frage, welche Bilder aufgeführt und welche Gesellschaften damit re-produziert und affirmiert werden. Eine Zurschaustellung von Konsum als Selbstzweck bewirbt eine solche Verhaltensweise und verstärkt existierende Verhältnisse von Profit zu Lasten von Umwelt und Arbeitnehmer*innen, die die Konsumgüter produzieren. Auch die Performance von Selfcare und Healing auf →Social Media ist trügerisch. Sich von den strukturell bedingten, individuellen wie intergenerationalen Traumata zu heilen, ein Konzept, das aus der Schwarzen Um zu kennzeichnen, dass es sich bei den Kategorien Schwarz und Weiß um konstruierte Zuordnungen handelt, werden diese Begriffe groß geschrieben. feministischen Bewegung stammt, wurde kapitalistisch dahingehend vereinnahmt, Menschen Gesichtsmasken und Spa Aufenthalte zu verkaufen. Gegenentwürfe, die herrschende Verhältnisse in Frage stellen und unterminieren, beschreibe ich im Zusammenhang mit dem Begriff →Eskapismus.
Internet der Dinge https://de.wikipedia.org/wiki/Internet_der_Dinge
Das Internet in seiner heutigen Form wird von seinen Besucher*innen als immateriell wahrgenommen. Die technische Infrastruktur des Internets sehen wir nicht täglich. Serverzentren sind meist Industriehallen an Autobahnen und Glasfaserkabel liegen unterirdisch. Das Digitale erscheint uns in Westeuropa und Nordamerika ressourcenschonend, da die Gewinnung der nötigen Ressourcen nicht in unserem direkten geographischen Umfeld passiert.
2015 prophezeite der CEO von Google, dass das Internet verschwinden werde. Eric Schmidt auf dem Weltwirtschaftsforum 2015 Davos, Schweiz, zitiert nach: https://theshift.fi/internet-will-disappear/ Gemeint war allerdings keine Rückkehr zu vordigitialen Zeiten, sondern die vollständige Auflösung der Grenzen zwischen Dingwelt und Internet. Gegenstände und Werkzeuge werden dazu mit Funketiketten oder Hardware, die auch Daten verarbeiten kann, ausgestattet. Die Beleuchtung einer Wohnung, die sich fernsteuern lässt oder die Uhr, die Vitalparameter der Träger*in misst und überwacht sind Beispiele dafür. Vernetzt werden die Dinge abhängig davon, über welche Distanzen eine Kommunikation stattfinden soll. Für den Nahbereich, beispielsweise innerhalb eines Gebäudes, werden neben drahtgebundener Kommunikation auch Bluetooth, WLAN oder NFC/RFID verwendet. Über weitere Distanzen kommen verschiedene satellitengestützte Techniken zum Einsatz, auch ein 5G fähiges Mobilfunknetz spielt hier eine große Rolle. Apples AirTags nutzen die weite Verbreitung von Apple Produkten als Netzwerk, um ihren Standort über größere Distanzen zu übermitteln. Dazu sendet das AirTag ein Signal an Apple Geräte im nahen Umfeld, die dann den Standort des Tags an iCloud der Besitzer*in weitergeben. https://www.apple.com/de/airtag/ AirTags sind mit 39€, beziehungsweise 32,25€ im 4er-Pack, Neupreis inkl. Mehrwertsteuer März 2025 https://www.apple.com/de/shop/buy-airtag/airtag äußerst günstige Überwachungsgeräte, die sich aufgrund ihrer Größe auch noch gut verstecken lassen. https://www.notrace.how/earsandeyes/#hamburg-2023-05
Was mit den Daten aus dem Internet der Dinge schief gehen kann, hat der Fund von dumpfiles des Autoherstellers Volkswagen im Jahr 2024 gezeigt. Nicht nur hatte der Konzern mit einigen Elektroauto-Modellen weit mehr Daten gesammelt, als mit Datenschutzgesetzen vereinbar war, die Files waren auch unverschlüsselt gespeichert und so online zugänglich. In dem Datensatz waren unter anderem Bewegungsdaten und personenbezogene Daten der Fahrer*innen enthalten. Diese gaben Aufschluss darüber, wer wann und wo parkt. So ließen sich beispielsweise Wohnort, Arbeitsplatz oder Schule der Kinder ablesen und auch welche politischen oder religiösen Treffen besucht werden. Mit den enthaltenen E-Mailadressen, ließ sich auch filtern, welche Fahrzeuge Regierungsbehörden zuzuordnen sind. So ein Datensatz gibt sehr genaue Einblicke in den Alltag und die Gewohnheiten von Menschen. https://media.ccc.de/v/38c3-wir-wissen-wo-dein-auto-steht-volksdaten-von-volkswagen
Wenn nun Internet und Welt komplett miteinander verzahnt sind, wir uns im Internet und in der physischen Welt gleichzeitig befinden, wo ist dann der Ausgang von was?
„Lady, how do we leave this place?“
„By the door. Just leave and walk. You will return to the worlds from which you came, or ones very
similar.“ Gaiman, Neil; Talbot, Bryan; Buckingham, Mark; Amaro, Gary;
Giordano,
Dick;
Harris, Tony; Leialoha, Steve: “The Sandman
Vol. 56”, DC Comics, New York, 1993.
Social Media Ich wollte nie über Social Media schreiben. Allerdings machen die Social Media Plattformen eine stark frequentierte Ecke des Internets aus. Für viele Menschen sind diese Plattformen oft gleichbedeutend mit dem Internet. Im globalen Süden wird diese Entwicklung durch vermeintliche Infrastrukturprojekte von Meta befeuert. Als Teil der Internet.org Initiative kann mit „Free Basics“ auf die Dienste von Meta und einige ausgewählte Seiten kostenlos zugegriffen werden, für andere Seiten oder Plattformen müssen wieder mobile Daten bezahlt werden. (https://www.facebook.com/connectivity/solutions/free-basics) Das Programm ist bezüglich Netzneutralität fragwürdig, zudem verursachte ein lange nicht behobener Softwarefehler Kosten für die Nutzer*innen. ( https://www.theverge.com/2022/1/25/22900924/facebooks-free-internet-less-developed-costing-users-wsj)
Aus Social Media auszusteigen und wie ist ein wiederkehrendes Thema in meinem Umfeld. An sich könnten wir uns abmelden, wir wären dann quasi gerade nicht zuhause und müssten auch gar nicht zurückkommen. Wir könnten den Account vorübergehend deaktivieren. Unser Profil bliebe dann gespeichert, aber wäre für die Zeit der Deaktivierung nicht mehr sichtbar für aktive Mitglieder der Plattform. Und natürlich könnten wir ein Konto löschen. Bei Instagram vergehen zwischen dem Auftrag, ein Konto zu löschen und dem tatsächlichen Löschen nochmal 30 Tage, innerhalb derer man sich umentscheiden kann. Zudem behält sich der Dienst vor, Backups der Daten potenziell weitaus länger zu speichern. https://help.instagram.com/139886812848894/?helpref=related_articles&locale=de_DE
Verlassen im Digitalen hätte sich allein auf das Thema Social Media beschränken können. Warum viele meiner Zeitgenossen und ich selbst auch es nicht lassen und all diese Accounts auf toxischen Plattformen haben und pflegen, liegt am Einsatz von Dark Pattern, den Gefühlen von Belohnung, die wir uns dort abholen können und FOMO Fear of missing out. Dazu kommt, dass Social Media neben negativen Einflüssen auf die Psyche aller Beteiligten auch ein Werkzeug für die Pflege eines sozialen und beruflichen Netzwerks und als Meldesystem für aktuelle Entwicklungen in dynamischen Situationen Das Bedienen und Verfolgen eines Hashtags auf Twitter ist zum Beispiel auf Demonstrationen oft eine der zuverlässigsten Quellen über Entwicklungen des Protests und potenzielle Gefahren. ist. Zu Beginn von 2025 sind die faschistischen Positionen der CEOs von Meta und X nicht mehr zu leugnen. Diese politischen Einstellungen schlagen sich in den Nutzungsbedingungen der Plattformen nieder. So will Meta für Instagram, Facebook und Threads kein unabhängiges Fact Checking mehr durchführen. ( https://www.nytimes.com/live/2025/01/07/business/meta-fact-checking ) In den Richtlinien von X lässt sich mit dem Besitzerwechsel im Oktober 2022 deutlich eine politische Agenda ablesen (https://www.hiig.de/en/policy-changes-of-x-under-musk/). Am prominentesten ist hier vermutlich die Verwechslung von Redefreiheit mit dem konsequenzlosen Verbreiten von Hassrede und Beleidigungen. Zudem bekommt in dieser Darstellung Rede- beziehungsweise Meinungsfreiheit gegenüber anderen Grundrechten eine übergeordnete Position. Redefreiheit sollte nicht das Recht auf körperliche Unversehrtheit oder Gleichheit der Menschen einschränken. Eine Social Media Plattform ist nur stark, wenn sie auch mitgliederstark ist, denn so funktioniert ihre umfangreiche Fütterung mit Informationen zu allen möglichen Themen. Solange nicht eine kritische Menge Menschen eine neue Plattform belebt, werden alle bleiben.